Die Vertragsstrafe (auch Konventionalstrafe genannt) ist ein weit verbreitetes Mittel, um die Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen sicherzustellen. Sie stellt eine Sanktion dar, die vereinbart wird, um eine Partei zur Einhaltung eines Vertrags zu motivieren. Doch wie sind Vertragsstrafen rechtlich einzuordnen, und sind sie in der Schweiz zulässig? Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über die Vertragsstrafe im schweizerischen Recht, ihre Voraussetzungen, Grenzen und mögliche Durchsetzung.
Was ist eine Vertragsstrafe?
Die Vertragsstrafe ist eine vertraglich festgelegte Geldleistung, die fällig wird, wenn eine Partei ihre vertragliche Verpflichtung nicht oder nicht ordnungsgemäss erfüllt. Sie dient primär zwei Zwecken:
- Druckmittel: Die drohende Sanktion soll die Parteien zur Einhaltung des Vertrags motivieren.
- Schadenersatzfunktion: Die Strafe soll eine pauschale Entschädigung für entstandene Schäden darstellen, ohne dass diese konkret nachgewiesen werden müssen.
Gesetzliche Grundlage in der Schweiz
Die Vertragsstrafe ist im schweizerischen Obligationenrecht (OR) ausdrücklich geregelt, insbesondere in Art. 160 ff. OR. Dort wird klargestellt, dass eine Vertragsstrafe grundsätzlich zulässig ist, aber gewissen Einschränkungen unterliegt.
Art. 160 OR – Zulässigkeit:
- Die Vertragsstrafe kann für die Nichterfüllung oder nicht gehörige Erfüllung einer Verpflichtung festgelegt werden.
- Sie kann auch unabhängig davon vereinbart werden, ob ein effektiver Schaden entstanden ist.
Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Vertragsstrafe
Damit eine Vertragsstrafe gültig vereinbart werden kann, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein:
- Einigkeit der Parteien: Die Vertragsstrafe muss ausdrücklich vertraglich festgehalten werden.
- Verhältnismässigkeit: Übermässig hohe Vertragsstrafen können vom Gericht herabgesetzt werden (Art. 163 Abs. 3 OR).
- Rechtmässigkeit: Eine Vertragsstrafe darf nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften oder gegen die guten Sitten verstossen.
Begrenzung der Vertragsstrafe
Obwohl die Vertragsstrafe als zulässiges Mittel anerkannt ist, gibt es Schranken:
- Richterliches Mässigungsrecht: Wenn eine Vertragsstrafe als unverhältnismässig hoch erscheint, kann das Gericht diese herabsetzen (Art. 163 Abs. 3 OR). Dies kann insbesondere dann relevant werden, wenn die Strafe als übermässig hart oder ungerecht empfunden wird.
- Unzulässige Klauseln: Vertragsstrafen, die gegen Treu und Glauben verstossen oder eine Partei unangemessen benachteiligen, können für nichtig erklärt werden.
- Kein Ausschluss der Erfüllung: Eine Vertragsstrafe darf nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Hauptleistungspflicht des Schuldners faktisch aufhebt.
Verhältnis zur Schadensersatzpflicht
Ein zentrales Merkmal der Vertragsstrafe ist, dass der Gläubiger keinen konkreten Schaden nachweisen muss, um die Strafe einzufordern. Dennoch bleibt die Frage offen, ob neben der Vertragsstrafe zusätzlich ein Schadenersatz geltend gemacht werden kann. In der Schweiz gilt gemäss Art. 161 OR:
- Grundsatz: Die Vertragsstrafe tritt an die Stelle des Schadensersatzanspruchs.
- Ausnahme: Falls dies vertraglich vereinbart wurde, kann der Gläubiger neben der Vertragsstrafe einen weiteren Schadenersatz beanspruchen, falls der Schaden die Strafe übersteigt.
Anwendungsbeispiele
Vertragsstrafen sind in zahlreichen Bereichen der Wirtschaft und des täglichen Lebens anzutreffen:
- Bauverträge: Verzugsstrafen bei nicht fristgerechter Fertigstellung von Bauprojekten.
- Arbeitsrechtliche Klauseln: Konventionalstrafen für das Verletzen von Wettbewerbsverboten.
- Mietverträge: Sanktionen bei unzulässiger Weitervermietung oder verspäteter Rückgabe der Mietsache.
- Kaufverträge: Vertragsstrafen für die verspätete Lieferung von Waren.
Fazit
Die Vertragsstrafe ist ein anerkanntes und häufig eingesetztes Instrument zur Sicherung von Vertragsverpflichtungen in der Schweiz. Sie ist im Obligationenrecht geregelt und grundsätzlich zulässig, unterliegt aber Beschränkungen wie dem richterlichen Mässigungsrecht. Eine gut durchdachte und verhältnismässige Vertragsstrafenklausel kann dazu beitragen, die Vertragserfüllung zu fördern und potenzielle Streitigkeiten zu minimieren. Daher sollten Unternehmen und Privatpersonen bei der Vertragsgestaltung darauf achten, dass die Klauseln klar formuliert und rechtlich haltbar sind.